Sind Städtepartnerschaften im Zuge der Globalisierung „ein alter Hut“ geworden? Pas du tout ! Ganz und gar nicht, wie wir festgestellt haben! Sie bieten außergewöhnliche Erfahrungen mit Begegnungen, die sich kaum bei einer touristischen Reise ergeben würden.
20 hannoversche BürgerInnen haben sich vom 1.-8. Juli 2017 unter der Leitung des Teams INITIATIVE BÜRGERBEGEGNUNGEN auf den Weg gemacht, Rouen und die Normandie kennen zu lernen, geschichtsträchtige Orte zu besuchen wie auch hautnah am Puls der Zeit französische Lebensart zu spüren.
Vom Neuem Rathaus ging es per Reisebus los, 800 km querbeet durch Belgien und die Niederlande, bis gegen Abend das Ziel Rouen erreicht war – mit Unterbringung in einem kleinen Hotel in der Altstadt, ganz nahe der berühmten Kathedrale und dem Ufer der Seine. Die Partnergruppe Amis du Jumelage Rouen- Hanovre lud uns nach der Ankunft gleich zum Abendessen in die Brasserie PAUL ein – ein toller Start in unsere gemeinsame Woche.
Die neuen TeilnehmerInnen lernten hier ihre „Correspondants“ kennen, die während des Aufenthalts als AnsprechpartnerInnen und gelegentliche BegleiterInnen zur Verfügung standen und auch ganz privat mal zu sich daheim einluden. Andere TeilnehmerInnen waren glücklich, endlich wieder alte Vertraute der Partnergruppe zu sehen. Auch bei unseren Ausflügen nach Le Havre, Amiens, Maintenon, Chartres, einer Bootstour auf der Seine sowie Besichtigungen in Rouen waren unsere französischen Freunde oft mit dabei.
Gemeinsam mit dem französischen Organisationsteam hatten wir vor dieser Reise ein sehr „ausgefeiltes“ Programm zu den Themen Fachwerk und Backsteinarchitektur erarbeitet, in Le Havre kam noch die innovativ-funktionell gestaltete Nachkriegsarchitektur von August Perret dazu. Le Havre feiert derzeit sein 500jähriges Stadtjubiläum und zeigte sich von seiner besten Seite!
Die prachtvolle gotische Kathedrale in Chartres mit dem Glasfenster der „Himmelblauen Madonna“ hat uns beeindruckt wie auch der Profanbau des Schlosses Maintenon mit der berührenden Lebensgeschichte von Mme. de Maintenon, der späteren Ehefrau Ludwigs XIV.
Durch die Gassen gemütlicher Stadtviertel zu streifen – wo auch immer – oft entlang kleiner Flussläufe, wo man noch viel länger verweilen, hier und da einkehren oder einfach auf Treppenstufen sitzend dem Leben zuschauen konnte, war ein Vergnügen. Aber im Lutherjahr 2017 haben wir in der Normandie auch Tragisches zur Verfolgung der Calvinisten erfahren.
Wer noch nie eine Schiffstour auf der Seine gemacht hat, der mag sich über so viele idyllische Schleifen wie auch Inseln im Fluss wundern, urig bewachsene Ufer, prächtige Landhäuser und sonntäglich geöffnete Tanzlokale am Ufer (guinguettes) – eine Welt wie im Kino!
Eine besondere Attraktion im Sommer waren für uns die Hortillonages von Amiens: eine weitläufige Landschaft am Rande der Stadt mit unzähligen schmalen Kanälen zwischen sog. „schwimmenden Inseln“. Natürlich schwimmen diese Inseln nicht, auch wenn es so aussehen mag. Es waren einst die Obst- und Gemüsegärten zur Versorgung der Bewohner von Amiens, die vermutlich während der Römerzeit in einem ehemaligen Sumpfgebiet angelegt wurden.
Die Ernte kam per Kahn auf den Markt der Stadt. Heutzutage haben Blumen das Gemüse verdrängt. Herrliche Ausblicke eröffnen sich, wenn man gemütlich in kleinen, flachen Booten durch diese Idylle schippert! Man fühlt sich an den Spreewald erinnert, aber statt Wald sieht man unzählige Gärten.
Die Stadt Rouen war für uns ein einziges Museum. Zauberhafte, schmale, bunte Fachwerkhäuser schmiegen sich in den Altstadtgassen aneinander. Kleine Boutiquen und Bistros verlocken zum Stöbern und Verweilen. Überall herrscht reges wie auch entspanntes Treiben bis weit nach Mitternacht. Für jene, die noch mehr Kunst tanken wollten: Picasso präsentierte sich mit drei Sonderausstellungen in mehreren Museen Rouens.
Ein besonderes Erlebnis war die abendliche Lightshow um 23 Uhr auf dem Platz der Kathedrale. Eine atemberaubende Show, ein Rausch an Farben und Formen, modern wie auch traditionell, mit Musik untermalt, auf das Portal der Kathedrale projiziert. Die Bilder erzählen das Leben des berühmten Herzogs Wilhelm II. der Normandie (Guillaume le Conquérant), der als Wilhelm der Eroberer in die Geschichte eingegangen ist – wie auch die Geschichte von Jeanne d’Arc, deren Leben in Rouen endete. Die Menschen sammeln sich auf dem Platz der Kathedrale, sitzen auf Treppenstufen, stehen in Grüppchen und genießen gemeinsam den Farbrausch, der die ganze Fassade der Kathedrale einnimmt.
Am gemeinsamen Abschiedsabend freuten wir uns auch über die Teilnahme des Oberbürgermeisters von Rouen, Yvon Robert mit Gattin, der die Bedeutung der Städtepartnerschaft betonte und von früheren Begegnungen in Rouen wie auch in Hannover erzählte. Angefüllt mit unendlich vielen Eindrücken und neuen, wie auch vertieften Freundschaften, sind wir heimgereist. Wir freuen uns nun auf den Gegenbesuch der Amis des Jumelage im nächsten Jahr in Hannover.